IN MEMORIAM EDITIONEN 1982 – 2021

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HERMANN NITSCH

In Memoriam 1982 – 2021

Eröffnung: 7. September, 19h

Ausstellungsdauer: 8. September – 5. Oktober 2021

Nitsch und das Gesamtkunstwerk

Es erscheint anfangs wichtig zu betonen, dass sämtliche Disziplinen des Gesamtkunstwerkes – die Idee des Orgien Mysterien Theaters, die Komposition, die Partitur, die Zeichnung, das literarische Werk, die Schüttung und auch die Druckgrafik – in dieser breiten Form auf die Zeit der späten 1950er beziehungsweise frühen 1960er Jahre zurückgehen. (Hermann Nitsch war damals in seinen 20er Jahren). Entgegen vieler Meinungen wurden die Disziplinen allesamt in dieser Zeit im Gesamtkonzept des Künstlers verankert und sind keine später zugewachsenen Ergänzungen zur einzigartigen Gesamtphilosophie und die bei Nitsch unbedingte Verwobenheit aller Disziplinen für das Gesamte.“ 

Karrer, Michael: „Das druckgrafische Werk von Hermann Nitsch. Eine dokumentarische Zeitreise“ (2010). In: Karrer, Michael (Hg.), Hermann Nitsch. Das Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters“, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2015.

Nitsch sagt selbst:

Ich zeichne ständig, um mich zu neuen Aktionen anregen zu lassen. Weil dem Aktionismus zwangsläufig Grenzen der Realisation gesetzt sind, entstanden Aktionskonzepte und Partituren: Der Aktionismus hat sich in Richtung Konzeptkunst ausgeweitet. Die Frage nach der Realisierung ist vorerst nicht wesentlich, die Gestaltung kann frei wuchern und alle Grenzen durchbrechen, das entwerfen von Aktionsdramen, die sich in eigens dafür konzipierten unterirdischen Städten ereignen, und die eine Aufführungsdauer von mehreren Wochen benötigen, wäre möglich. Die meisten meiner Zeichnungen zeigen Grundrisse unterirdischer Raum- und Weganlagen. Der raumsuchende Zeichenstift findet eine vom Projekt und seiner Realisation losgelöste Sinnlichkeit, die spezifische Ästhetik des zeichnerischen Unterfangens beginnt den Entwerfer zu berauschen und zu verführen. Die Zeichnung, die Ästhetik der Zeichnung wird Selbstzweck“. Nitsch 1976.

Christus der Widdergott 

Der altägyptische Gott mit Widderkopf war zunächst Helfer der Göttin SATIS, eng verbunden mit der regelmäßigen Wiederkehr der Jahreszeiten und der Nil-Schwemme. Sie wurden auf der Insel Elephantine – unterhalb des ersten Katarakts – verehrt. Zunächst ausschließlich als Widder, also tiergestaltig dargestellt, finden wir ihn im Neuen Reiches als widderköpfiger Gott in Menschengestalt. Er ist nun ein Schöpfergott, der die Götter und die Menschen, aber auch Tiere und Pflanzen erschuf und sie zum Leben erwecken konnte. 

Er war Neb-Abu („Herr von Elephantine“).

Wenn nun Nitsch den Gekreuzigten als Widdergott benennt, dann spielt er auf diese altägyptisch belegten Zusammenhänge von Werden und Vergehen an: Aus dem zunächst jahreszeitlich durchdrungenen natürlichen Ablauf der Natur ist der Widdergott in die göttliche Wirkungsmacht aufgestiegen und war schließlich Hüter der Gesetze über Leben und Tod – wie Christus am Kreuz den Tod in die Auferstehung führt (F.K.)

Zur Grablegung (Triptychon)

Nitsch, 1995: „Ich verstehe den Tod Christi anders. Er demonstriert den Tod aller Wesen, die grundsätzlich sterben müssen. Er demonstriert und lebt das weltüberwindende, tragische Scheitern, die Überwindung des Todes gleichnishaft vor. Dem Tod folgt die Auferstehung, was sich im Raum von Ewigkeit und Unendlichkeit eben unendliche Male ereignen muss, damit sich die Welt verwandeln und verändern kann.“.

Das letzte Abendmahl

Der Entwurf einer unterirdischen Stadt nach dem Bilde des letzten Abendmahles für das Aktionsdrama die Zerstörung und Wieder-Entstehung unseres Weltalls. Die uterale Dunkelheit von unterirdischen Gängen und Räumen, das geborgene Leben, das keimen in der kalten Erde übt auf mich eine große Anziehungskraft aus“ so Nitsch. 

Als ein leib-metaphorisch aufzufassendes Weltbild greift das Werk jedoch weit über einen Architekturentwurf hinaus. Mit dem im Titel enthaltenen Verweis auf die Eucharistie, thematisiert der Künstler mit dem Letzten Abendmahl den Wunsch, eine harmonisierende Analogie von Mensch und Kosmos zu erfahren.

Karrer, Michael: „Das druckgrafische Werk von Hermann Nitsch. Eine dokumentarische Zeitreise“ (2010). In: Schütt, Jutta (Hg.), Hermann Nitsch. Utopien auf Papier“, Frankfurt am Main 2004, S. 24.

Levitikus

Schon als Jugendlicher war Nitsch vom „Levitikus“, dem 3. Buch Mose fasziniert. Das Buch ist wie ein Handbuch für den Ritus, es fügt das „Berufswissen“ der Tempel-Priesterschaft zusammen. 

2010 wurde Nitsch vom israelischen Verleger Har-El eingeladen, ein zweisprachiges Kunstbuch zu den Opferriten im Tempel von Jerusalem aus dem „Levitikus“ zu erarbeiten. Diese Einladung mündete in ein groß angelegtes Graphikprojekt im Format 135 x 189 cm sowie zwölf auf Leinwand gedruckte TERRA GRAPHIE- Motive umfasste. Mit Hilfe dieser aufwändigen Drucktechnik entstanden Arbeiten, die an seine Schüttbilder angelehnt sind, sie spiegeln den Schüttduktus der unverwechselbaren Unikate wider. 

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